Medizin trifft Technik – lohnt sich jetzt der Einstieg in Medtech Aktien?

Über Medtech Aktien investieren Anleger in zwei absolute Mega-Trends: Medizintechnik und Digitalisierung. Im Zuge der allgemeinen Marktkorrektur durch Zinssorgen und Ukraine-Krieg haben auch Medtech Aktien einen starken Rücksetzer erfahren. Eine Einstiegschance?

Medizin trifft Technik

Medtech als Begriff

Zugegeben, die Abkürzung Medtech als Kompositum aus den Anglizismen „Medicine“ (Medizin) und „Technology“ (Technologie) ist nicht brillant, trifft den Kern dieser Anlageklasse jedoch auf den Kopf. Medtech Konzerne sind im Gesundheitswesen tätig, vorwiegend im menschlichen. Unternehmen, die sich ausschließlich auf tierische Patienten spezialisiert haben, existieren derzeit kaum.

So oder so: Wer Medtech Aktien kauft beziehungsweise besitzt, der investiert nicht in Medizintechnik, sondern in hochmoderne Medizintechnik. Ultraschallsysteme, Hypersensoren und Invitro-Fertilisationen gehören hier mittlerweile zum Standard. Häufig werden Medtech Unternehmen auch im Biotech Sektor verortet. Tatsächlich existieren Parallelen, doch Medtech Unternehmen zeichnen sich durch einen bestandenes „Proof of Concept“ aus. Soll heißen: Die Produkte der Gesellschaften wurden erfolgreich getestet und befinden sich im Einsatz. Anders also als bei „klassischen“ Biotech Unternehmen, die mit präklinischen Studien beschäftigt sind und somit häufig noch keine Einnahmen aufweisen können.

Medtech als Begriff

Medtech Konzerne gelten als die Wachstumstreiber der Gegenwart sowie Zukunft in einem. Einerseits schreitet die Medizin an sich voran, was mehr und mehr Eingriffe ermöglicht. Anderseits steigt das Durchschnittsalter, was wiederum die Anzahl möglicher Behandlungen pro Patienten anhebt.

Sicherer Hafen?

Im Vergleich zu reinen Biotech Gesellschaften strahlen Medtech Konzerne durchaus Sicherheit aus: Hohe Margen, stabile Wachstumsraten und nicht zuletzt solide Cashflows haben Medtech Aktien zu wahren Dauerläufern gemacht. Die Folge: überaus sportliche Bewertungen. Nicht wenige Medtech Aktien wurden jahrelang mit KGVs von 100 und mehr gehandelt! Als „Sicherer Hafen“ sollten diese Titel jedoch nicht im Depot landen: Die jüngsten Korrekturen machen deutlich, dass sich auch hochmoderne Gesundheitstechnik dem Gesamtmarkt keineswegs entziehen kann. Ein Paradebeispiel für die konjunkturelle Abhängigkeit stellt die Intuitive Surgical Inc. (ISIN: US46120E6023) dar. Der Marktführer auf dem Gebiet für medizintechnische Robotik wurde 2020 mit einem KGV von rund 91 bewertet. Mit Ausbruch des Ukraine-Krieges und im Sog aufkeimender Rezessionsängste verlor der Titel dann knapp 40 Prozent an Wert.

Sicherer Hafen

Die Aktie der Intuitive Surgical Inc. gilt als das Aushängeschild der Medtech Sparte. Problem: Das Papier des Robotikkonzerns ist stolz bewertet und könnte erneut unter Druck geraten, sobald konjunkturelle Sorgen aufkeimen.

Nachholbedarf dank Corona

Die Coronavirus-Pandemie hat zahlreiche Alltagsbereiche eingeschränkt und sowohl „Gewinner“ als auch „Verlierer“ hervorgebracht. Zur ersteren Gruppe gehörte durchaus Tech, doch Medtech konnte sich der Post-Corona-Schock-Rallye nicht anschließen. Anders als bei Videokommunikationsspezialisten, Essenslieferanten und Social-Media-Plattform-Betreibern lag das Geschäft bei vielen Gesundheitsexperten brach. Allein aufgrund gesetzlicher Vorgaben zwecks Kapazitätswahrung mussten Krankenhäuser Tausende Operationen absagen. Hinzu kamen Lieferengpässe: Selbst absolute Platzhirsche mussten Produktionen sowie Serviceleistungen einstellen. Nun jedoch sind die Schutzmaßnahmen weitestgehend revidiert. In den USA hat man gar den Sieg über Covid19 verkündet. Bedeutet im Umkehrschluss: freie Fahrt für medizinische Eingriffe! Ganz gleich, ob Bandscheibenoperation, Nasenbegradigung oder professionelle Zahnreinigung: Kliniken erfahren einen starken Run, die Services der Medtech Konzerne sollten eine starke Nachfrage verzeichnen.

Dauerläufer mit Chartschwäche

Wenn nicht jetzt, wann dann? Mit solchen und ähnlichen Fragen wird immer wieder die Kauf-Trommel gerührt, wenn es um den Einstieg in besonders stark gefallene Aktien geht. Problem: Viele „Fallen Angel“ entpuppen sich als Kurzzeitphänomene. Getragen durch eine fantastische Börsenstimmung, einem übergeordneten Hype oder einer blenderischen Unternehmensstory korrigieren Highflyer bis auf einen Bruchteil ihrer einstigen Marktkapitalisierung. Und bleiben auf diesen Niveaus! Die Aktie der Nikola Corp. (ISIN: US6541101050) gilt als ein Paradebeispiel für solch Rohrkrepierer. Die drei folgenden Medtech Aktien haben in den letzten Wochen ebenfalls einen starken Drawdown hinnehmen müssen, sind jedoch nicht ansatzweise mit dem skandalgetriebenen Wasserstoff-Truck-Unternehmen aus Übersee zu vergleichen. Wer hier zuschlägt, fährt – mit hoher Wahrscheinlichkeit – nicht vor die Wand!

Boston Scientific

Wie an der Schnur gezogen! Die Aktie der Boston Scientific Corp. (ISIN: US1011371077) kennt in den letzten Jahren nur eine Richtung: aufwärts! Anfang 2013 notierten die Anteilsscheine von Boston Scientific noch bei 5 Euro – aktuell kämpft man mit einem Widerstand bei 43 Euro! Kein Wunder: Der US-Konzern gilt als Marktführer bei Herzschrittmachern und konnte zuletzt mit einer neuen Generation der kleinen Lebensretter etliche Analysten überzeugen. Einnahmen generiert das Schwergewicht durch endoskopische Eingriffe und den Verkauf von Defibrillatoren, Stentsystemen und sogar Neurostimulationsgeräten. Beeindruckend: Ungeachtet steigender Material- und Produktionskosten konnten die Amerikaner mit ihren letzten Quartalszahlen die Erwartungen des Marktes übertreffen. Für 2023 hat man gar die Gewinnprognosen angehoben. Und auch über 2023 hinaus steht dem Konzern Wachstum in die Tür. Denn neben einer Ausweitung der Produktpalette soll der Zukauf des Biomaterial-Spezialisten Obsidio zusätzliches Wachstum generieren. Mit einem KGV von knapp 50 und einem KUV von über 4,1 ist das Papier jedoch nichts für Schnäppchenjäger! Immerhin: Die Verschuldungsquote sinkt deutlich und die Umsätze sowie die Nettomargen wachsen solide.

DexCom

Die Wachstumsrakete unter den Medtech Konzernen! Gestartet bei 3 Euro kratzte die Aktie der DexCom Inc. (ISIN: US2521311074) Ende 2021 an der 143-Euro-Marke! Mittlerweile haben sich die Wertpapiere des Diabetes-Spezialisten deutlich vergünstigt, sind jedoch nach wie vor alles andere als billig. Denn auch nach der 40-Prozent-Korrektur auf 90 Euro liegt das 22er KGV bei stolzen 113. Betrachtet man die aktuelle sowie erwartete Nettomarge (12,8 Prozent und 15,2 Prozent) wird jedoch deutlich, dass nach wie vor eine Überbewertung vorliegen könnte. Zumindest fundamental betrachtet! Grund für das Vertrauen der Anleger respektive Analysten dürften Marktpositionierung und Technologiestand sein: DexCom gilt als Vorreiter bei der Entwicklung einer gänzlich künstlichen Pankreas! Dem Spezialisten winken also Milliardengewinne, die zwar mit Partnern wie Abbott Laboratories geteilt werden müssten, unterm Strich jedoch mehr als nachhaltig die Finanzpolster für weitere Forschungsarbeiten stärken sollten. Schätzungen zufolge wird sich der Gewinn in den nächsten Jahren verdreifachen! Größter Kurs- und Gewinntreiber dürfte das G7 CGM sein. Bei dem Modell handelt es sich um eine Weiterentwicklung des ohnehin schon fortschrittlichen G6 und soll allen Diabetes-Patienten durch modernste Einwegsensoren das Prozedere der alltäglichen Blutzuckerüberwachung spürbar erleichtern. So generiert man unter anderem Daten aus Sensoren, die ab sofort im Hautgewebe eingesetzt werden! Ein Meilenstein gegenüber dem lästigen Piks via Analysegerät.

DexCom

DexCom gilt als führend auf dem Gebiet der Blutzuckermessung. Diabetes-Patienten auf der ganzen Welt nutzen bereits heute die Geräte der Amerikaner, doch die Marktstellung könnte durch eine neue Generation hochmoderner Sensoren nochmals gestärkt werden.

Stryker

Langweilig kann so spannend sein! Beziehungsweise profitabel. Angefangen bei Tragbahren über Krankenhausbetten bis hin zu „digitalen Bildgebungssystemen“ liefert Stryker das große Einmaleins der Medizintechnik. Die Aktie der Stryker Corp. (ISIN: US8636671013) kann im Vergleich mit den Scheinen von Boston Scientific und DexCom den stabilsten Aufwärtstrend vorweisen, obgleich die Kursentwicklung prozentual betrachtet „nur“ bei einem Plus rund 400 Prozent liegt. Dafür rangiert die Bewertung mit einem erwarteten KGV von 21 jedoch auch deutlich unter der der Mitstreiter. Die Wachstumsstory dürfte jedoch keineswegs vorbei sein: Die Auftragsbücher sind aufgrund der Corona bedingten Nachholeffekte prall gefüllt und die letzten Monate lassen einen kräftigen Margenanstieg von 23 Prozent erkennen. Das solide Geschäftsmodell sollte auch eine höhere Bewertung rechtfertigen, doch Analysten sehen den Zukauf weiterer Gesellschaften mitunter skeptisch. So will Stryker zum Beispiel in Nischenbereichen durch strategische Übernahmen eintauchen und zum globalen All-In-One-Medtech-Konzern aufsteigen. Der Free Cash Flow lässt immerhin genügend Spielraum für eine Dividende (Rendite: 1,2 Prozent), die man bereits seit einem Vierteljahrhundert an seine Aktionäre auszahlt!

Fazit

Medtech Aktien lohnen sich für Anleger, die langfristig agieren wollen. Auch nach den jüngsten Korrekturen sind die Aktien teils nach wie vor recht hoch bewertet. Mit weiteren Rücksetzern ist zu rechnen! Sollten Sie in diesem Sektor über ein Investment nachdenken, so lohnt sich ein Einstieg in Tranchen: Staffeln Sie Ihre Käufe, setzen Sie sich Zielmarken und gegebenenfalls Limits. Mitunter könnten sich auch Stop-Loss-Orders anbieten, sofern sich eine Verschlechterung der globalen Lage, etwa finanziell, wirtschaftlich oder geopolitisch, bemerkbar macht! Die riskanten Zinsmanöver einiger Staaten wie Großbritannien, die nahezu ausgemachte Rezession und nicht zuletzt die angespannte Situation in der Ukraine bergen weiterhin Abwärtspotenzial. Übrigens: Neben den hier vorgestellten Global Playern lassen sich unzählige weitere Medtech Unternehmen aufzählen. Leider sind Alternativen wie die Eckert & Ziegler AG oder die Nexus AG noch größerem Abwärtspotenzial ausgesetzt. Inflation, Krieg und Wirtschaftsflaute belasten die europäischen Märkte und insbesondere den deutschen Markt weitaus stärker als die amerikanische Finanzlandschaft.

Autor: Jan Lauer

Disclaimer: Weder die Betreiber der Plattform noch der Verfasser garantieren Richtigkeit und Aktualität der getroffenen Aussagen. Es werden lediglich Anregungen, jedoch keinerlei Ratschläge zum Kauf oder Verkauf von Finanzprodukten vermittelt. Wer also Anlageentscheidungen auf Basis der im Text genannten Informationen trifft, tut dies auf eigene Verantwortung und somit auf eigene Gefahr. Ferner können Interessenskonflikte bestehen: Der Autor besitzt unter Umständen Aktien der im Text erwähnten Unternehmen oder gedenkt, diese zukünftig zu erwerben.

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